ZB Behinderung & Beruf 4/2019

15 ZB 4 I 2019 FORUM erstmals für zwei Jahre gewählt undwar „in allen Angelegenheiten, die die Durch- führung dieses Gesetzes betreffen, vom Arbeitgeber und Betriebsrat vor einer Entscheidung zu hören“. Im Gegensatz zum Betriebsrat stand die beratende Tätigkeit imVordergrund. Foto:Westend61/stock.adobe.com Die SBV ist heute unumstritten und trägt einen wesentlichen Teil zur Inklusion bei Das Schwerbeschädigtengesetz wurde acht Jahre später – 1961 – neu gefasst: Jetzt erhielt der Vertrauensmann den „gleichen Kündigungs-, Versetzungs- und Abordnungsschutz wie ein Mitglied des Betriebsrates [...]“, seine Amtszeit wurde auf vier Jahre erhöht und die Wahl einer Stellvertretung vorgesehen. 1974 – 30 Jahre nach demZweitenWelt- krieg – löste das Schwerbehindertenge- setz das Schwerbeschädigtengesetz ab. Das Gesetz zur Sicherung der Eingliede- rung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft – so der Name des neuen Gesetzes – deutet die umfassen- den Änderungen bereits an. Das Gesetz öffnete sich allen Behinderten und pass- te sich somit einer veränderten Anschau- ung von Rehabilitation an. Im Vorder- grund standen jetzt nicht mehr nur Kriegsversehrte und Opfer von Arbeits- unfällen, sondern alle Schwerbehinder- ten, unabhängig von Art und Ursache ihrer Behinderung. Sie sollten auch nicht mehr nur „beschäftigt“, sondern inArbeit, Beruf undGesellschaft eingegliedertwer- den. Die Förderungund Sicherung der Arbeits- verhältnisse Schwerbe- hinderter war jetzt vor allem Aufgabe des Vertrauensmannes der Schwerbehinderten. Das Anhörungsrecht wurde ausgedehnt: „Der Arbeitgeber hat denVertrauensmann in allenAngelegenheiten, die einen einzelnen oder das Kollektiv der schwerbehinderten Menschen berühren, unverzüglich und umfassend zu unter- richten und vor seiner Entscheidung anzuhö- ren.“ Ein Teilnahme- recht an allen Sitzungen der Beschäftig- tenvertretung und ihrer Ausschüsse wurde eingeführt. Der Gesetzgeber for- derte jetzt nicht nur eine enge Zusam- menarbeit aller Beteiligten, sondern auch eine gegenseitige Unterstützung. Um dem gerecht zu werden, wurden die damaligen Hauptfürsorgestellen ver- pflichtet, ihre Verbindungspersonen in den Betrieben zu schulen. 1986 wurde das Schwerbehindertenge- setz neu gefasst Im Laufe der Jahre kam den Vertrauensmännern bei der Einglie- derung Schwerbehinderter indas Arbeits- und Berufsleben eine immer größere Bedeutung zu. Die Erfahrungen aus der Praxis zeigten, dass ihre Position aufge- wertetwerdenmusste. Die Schwerbehin- dertenvertretung – so wird das Amt seit 1986 genannt – sollte dazu beitragen, dass arbeitslose Schwerbehinderte oder Schwerbehinderte, die eine betriebliche Ausbildung suchen, verstärkt eingestellt werden. NebendemVertrauensmanngab es jetzt auch dieVertrauensfrau und neu- tral ausgedrückt dieVertrauenspersonen. In den 2000er-Jahren wurden die Betei- ligungsrechte der SBV bei der Besetzung freier Stellen ausgeweitet: „Die Arbeit- geber haben nun die SBV beim Bewer- bungsverfahren von Schwerbehinderten und bei der Prüfung, ob Schwerbehinder- te imBetrieb beschäftigt werden können, zu beteiligen.“ Hinzu kamen noch die Verpflichtung des Arbeitgebers, mit der SBVeine Integrationsvereinbarung (heute: Inklusionsvereinbarung) zu treffen, sowie die Aufgabe, der betrieblichen Prävention einen höheren Stellenwert einzuräumen. Das hieß, dass der Arbeitgeber bei sich andeutenden Schwierigkeitenmit einem schwerbehinderten Beschäftigten die SBV einschalten muss. Und seit 2004 achtet die SBV darauf, dass der Arbeitge- ber seiner Verpflichtung der Einführung eines Betrieblichen Eingliederungsma- nagements nachkommt. 2017 kam die Reform des Sozialgesetz- buchs (SGB) IX Im Zuge dessen wurden nicht nur alle Paragrafen neu sortiert, sondern auch die Stellung der SBV gestärkt, denn ihre fehlendeMitwirkung bei Kündigungen führt seither zu deren Unwirksamkeit. Zahl und Umfang der Aufgaben der SBV steigen stetig an. Der Grund ist die demografische Entwick- lung. Sie hat zur Folge, dass es in den Betrieben immer mehr Beschäftigte mit einer Einschränkung gibt. Damit wächst auch die Nachfrage nach Beratung und Unterstützung durch die SBV. Den gestie- genen Anforderungen trägt der Gesetz- geber im reformierten SGB IX ebenfalls Rechnung: Er senkte den Schwellenwert für die Freistellung von 200 auf 100 schwerbehinderte Menschen. Auch die Heranziehung der Stellvertreter zu bestimmten Aufgaben in Betrieben mit mehr als 100 schwerbehinderten Beschäftigten führt zur Entlastung und die Schulung der Stellvertretungen ist jetzt möglich. Die SBV2020 Ihrewachsende Bedeutung ist unumstritten, ihre Aufgaben und Pflichten haben zugenommen. Aber sie hat auch immer noch zu kämpfen. Manchmal auch mit dem Betriebs- oder Personalrat. Trotz allem ist die SBV in unserer modernen Gesellschaft, in der Inklusion ein gesamtgesellschaftliches Ziel ist, nicht mehr wegzudenken: Sie trägt einen wesentlichen Teil zur Inklusi- on bei. Auch wenn vor 100 Jahren noch niemand von Inklusion sprach, wurden der Schwerbehindertenvertretung die damit verbundenen Aufgaben gewisser- maßen bereits in die Wiege gelegt. ■

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