ZB Behinderung & Beruf 2/2020

ZB 2 I 2020 die gefördert wird durch das Budget für Arbeit. Mit dieser Leistung soll WfbM- Mitarbeitern unter anderemdurch Lohn- kostenzuschüsse für den Arbeitgeber dabei geholfen werden, auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Bei Lukas Krämer hat das geklappt und sich als Glücksfall für alle Beteiligten entpuppt: „Egal, womit er befasst ist: Das Thema Inklusion läuft immer mit – auf ganz authentischeWeise“, sagt Corinna Rüffer. „Er entwickelt Drehbücher, filmt bei Demos und begleitetmichmit der Kame- ra imWahlkreis bei Veranstaltungen oder bei der Reihe ‚Sag mal, Frau Rüffer …‘, wo mich Leute zu sich nach Hause einladen können. Er bringt sichmit Ideen bei Büro- besprechungen ein, die Absprachen sind ultraproduktiv, es ist ein gedeihliches Zusammenarbeiten. Noch dazu ist er der zuverlässigsteMensch unter der Sonne.“ Hauptdarsteller auf der großen Lein- wand Passenderweise hatte sich Lukas Krämers Leben durch einen Film verän- dert, als er nocheinTeenagerwar. Damals wurde er vonGleichaltrigen oft gemobbt und sogar verprügelt. Regisseur Achim Wendel erfuhr von der Geschichte, sah darin Stoff für die Leinwand. Sein Kurz- film„London liegt amNordpol“ lief 2010 tatsächlich im Kino – mit dem 15-jähri- gen Lukas Krämer als Hauptdarsteller. Peter heißt er im Film, aber eigentlich ist es die Geschichte seines Lebens. „Der Film hat eine große Rolle gespielt“, sagt er rückblickend. Zumeinen setzte er sich selbstbewusst mit demThema Behinde- rung auseinander. Zum anderen wuchs sein Entschluss: „So etwas will ich in naher Zukunft beruflichmachen. Nur der Weg war mir nicht klar.“ Mittlerweile hat er den Weg gefunden mit seinem YouTube-Kanal und dem Engagement für Corinna Rüffer. Lukas Krämer wird dranbleiben an seinemZiel, die Themen vonMenschenmit Behinde- rungen in die Gesellschaft zu bringen. „Damit die Leute ein Gespür dafür bekommen, dass sie Menschen sind wie du und ich – ob mit oder ohne Behinde- rung.Menschenmit Behinderungenwol- len kein Mitleid, sondern ganz normal behandeltwerdenwie jeder andere auch. Viele sind nicht behindert – sie werden aber von der Gesellschaft behindert.“ Diese Barrieren, die vor allem in den Köpfen existieren, möchte Lukas Krämer aus demWeg räumen. ■ ZB Wie kamen Sie auf die Idee, einen Videokanal zu eröffnen, um über Behin- derungen zu sprechen? Lukas Krämer Früher habe ich in einer Werkstatt für behinderte Menschen gearbeitet. Dort verdient man leider nicht viel, nur durchschnittlich 200 Euro imMonat. Die Arbeit hat mir auch keinen Spaß gemacht. In der Zeit hatte ich auf YouTube schon einen Kanal für Gaming (Computer- und Videospiele, Anmerkung der Redaktion). Ich habe überlegt: Das ist genau das, was mir liegt. Warum versuche ich das nicht einfach? Ende 2016 habe ich dann den Kanal „SakulTalks“ aufgemacht. Da habe ich meine Geschichte erzählt und über meine Erkrankung geredet. ZB Sie können weder lesen noch schrei- ben, weil Sie mit vier Jahren an Meningi- tis erkrankt waren. Bekommen Sie Unterstützung bei den Videos oder machen Sie alles selbst? Krämer Das mache ich seit mehreren Jahren komplett alleine. Dafür gibt es ja Hilfsmittel. Ich nutze zum Beispiel den Google Übersetzer. Damit kann ich Texte über ein Headset einsprechen und mir Texte vorlesen lassen. Ein großer Auf- wand ist die Vorbereitung, wenn ich Texte auswendig lernen will, um sie auf- zusprechen. Oder Fragen für Interviews. Dafür brauche ich manchmal zwei Tage. Oft informiere ich mich auch über The- men und spreche frei. Für das Aufneh- men und Bearbeiten eines Videos brau- che ich in der Regel etwa zehn Stunden. ZB Was hat sich verändert, seit Sie für Corinna Rüffer arbeiten? Krämer Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht und setze mich gleichzeitig für Menschen mit Behinderungen ein. Das passt doch perfekt! Alleine kann ich ja nicht so viel erreichen wie gemeinsam mit Corinna. Außerdem komme ich in Kontakt zu interessanten Leuten, die ich interviewen kann: zum Beispiel zu Inklu- sions-Aktivist Raul Krauthausen oder zu Katrin Langensiepen, der ersten Frau im Europaparlament mit einer sichtbaren Behinderung. ■ Drei Fragen an Lukas Krämer Foto: Hans Krämer REPORTAGE „Ich mache meine Videos, um aufzuklären und um Leute wachzurütteln“, sagt Lukas Krämer 7

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