ZB Behinderung & Beruf 3/2019

ZB 3 I 2019 SCHWERPUNKT 11 derte und blinde Menschen. In vielen Fällen wird die Behinderung durch eine Schädigung des Sehnervs oder der Netz- haut verursacht. Manche der Betroffenen kommen mit der Behinderung auf die Welt, bei anderen tritt sie erst in einem späteren Lebensalter auf – entweder plötzlich, zum Beispiel durch einen Unfall, oder fortschreitend, wie bei eini- gen erblich bedingten Erkrankungen. Eine verminderte Sehschärfemuss nicht das allein bestimmende Merkmal einer Sehbehinderung sein. Es gibt zum Bei- spiel Menschen, deren Gesichtsfeld so stark eingeschränkt ist, dass sie nur noch einen winzigen Ausschnitt ihrer Umge- bung sehen können. Auch eine verschlei- erte Sicht durch eine trübe Linse – wie beim Grauen Star – kann das Sehvermö- gen deutlich herabsetzen. Häufig kom- men Begleitsymptome wie eine stark erhöhte Blendempfindlichkeit oder Nachtblindheit hinzu. Entgegen landläu- figer Vorstellung bedeutet blind zu sein nicht unbedingt, gar nichts (mehr) zu sehen:VieleBetroffene könnennochhell/ dunkel unterscheiden oder Handbewe- gungen vor dem Gesichtsfeld wahrneh- men. Nur etwa fünf Prozent der blinden Menschen verfügen über keinerlei restli- ches Sehvermögen. Orientierung undMobilität Damit Men- schen mit Seheinschränkungen am Arbeitsleben teilhaben können, ist es wichtig, dass sie möglichst lange mobil bleiben. „Ist das Restsehvermögen nur noch gering, ist der Langstock eine große Hilfe. DessenGebrauch lernenBetroffene imRahmen einesMobilitätstrainings; die Kosten übernimmt die Krankenkasse“, erklärt Jürgen Kempf, Fachberater für blinde und sehbehinderte Menschen beim Integrationsfachdienst in Stuttgart. „Hier üben sie auch, sich im Straßenver- kehr sicher zu bewegen. Häufig zurück- gelegte Wege, zum Beispiel der zum Arbeitsplatz, werden zusammen mit einemspeziell dafür ausgebildeten Reha- lehrer für Orientierung und Mobilität eingehend trainiert. Eine großeHilfe sind hierbei Apps für das Smartphone, die mithilfe GPS-gestützter Navigation und über Sprachausgabe den Weg weisen.“ Undwas sind dieVoraussetzungen dafür, dass sichMenschenmit einer Sehbehin- derung inGebäuden, zumBeispiel an der Arbeitsstelle, sicher orientieren können? Jürgen Kempf kennt und benennt die neuralgischen Punkte: „Sind Anfang und Ende von Treppen jeweils gut sichtbar markiert? Wie ist die Beleuchtungssitu- ation in Gängen und auf dem Weg zur Kantine? Verfügen die Tasten des Auf- zugs über eine Beschriftung in Punkt- schrift und über eine Sprachansage?“ Problematisch für die Betroffen sei es auch, wenn sie auf unerwartete Hinder- nisse stießen. „Ein im Gang abgestellter Putzwagen kann für einen blindenMen- schen durchaus ein großes Problem dar- stellen“, so der Fachberater. „Generell ist es sehr wichtig, dass alle Gegenstände ihren festen Platz haben und so jederzeit wiedergefunden werden können.“ Geräuscharme Arbeitsumgebung Neben den räumlichen Gegebenheiten spielt auch die Geräuschkulisse eine große Rolle. „Gerade Menschen mit geringem oder fehlendem Sehrest sind in einem hohenMaß auf Informationen angewie- sen, die sie über das Gehör aufnehmen können. Für sie ist eine möglichst geräuscharme Arbeitsumgebung sehr wichtig, umstörende Hintergrundgeräu- sche sicher von den für sie relevanten Informationen unterscheiden zu kön- nen“, erklärt der Experte. Akustische Hinweise und Erklärungen sind auch im zwischenmenschlichen Kontakt für blin- de Menschen sehr wichtig. Ihnen fehlen viele Informationen, die sehende Men- schen bei ihremGegenüber über Gestik, Mimik und den Blickkontakt ablesen können. Hilfreich sind hier genaue Beschreibungen oder verbale Hinweise des Gesprächspartners. „Menschen mit einer Seheinschränkung haben oft ein ausgezeichnetes Gedächtnis. Dennoch sollte man sich nicht darauf verlassen, von den Betroffenen immer gleich an der Stimme erkannt zuwerden. DieNennung des eigenen Namens bei der Begrüßung sollte, vor allembei unverhofften Begeg- nungen, selbstverständlich sein“, rät Fachberater Jürgen Kempf. ■ Foto:Thomas Brenner Es gibt viele individuelle Lösungen, um sehbehinderte Menschen am Arbeitsleben teilhaben zu lassen. Wir beraten vor Ort. Jürgen Kempf Integrationsfachdienst in Stuttgart Tipps für den Betrieb Bei Bedarf externe Unterstützung holen: Erste Anlaufstellen sind die Technischen Beratungsdienste der Integrationsämter und die Integrati- onsfachdienste. Hier erhalten Sie auch Informationen über die Finanzierung von Maßnahmen. Den Arbeitsplatz behinderungsge- recht ausstatten: Häufig eingesetzte technische und optische Hilfsmittel sind zum Beispiel Vergrößerungspro- gramme für den PC, Sprachausgabe- systeme und Kameralesesysteme zur vergrößerten Darstellung von Papier- dokumenten. Auch die Beleuchtungs­ situation muss überprüft und an die jeweilige Sehbehinderung (hoher Lichtbedarf oder Blendempfindlich- keit) angepasst werden. Schwenk­ arme für den Bildschirm gehören zur Standardausstattung. In Kontakt bleiben: Dem betroffenen Kollegen regelmäßig Unterstützung anbieten. Wenn erwünscht, andere Kollegen und Vorgesetzte über die Auswirkungen der Sehbehinderung am Arbeitsplatz informieren. So kön- nen Missverständnisse und Unsicher- heiten bei allen Beteiligten bereits im Vorfeld vermieden werden.

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