ZB Behinderung & Beruf 3/2019

9 ZB 3 I 2019 RECHT Kündigung Zustimmung Personalrat Leitsatz Dem Arbeitgeber steht es frei, den Antrag auf Zustimmung zur Kündigung eines schwerbehinderten Personalratsmit- glieds beim Integrationsamt vor, während oder erst nach der Beteiligung des Personalrats zu stellen. Bei der außerordent- lichen Kündigung eines schwerbehinderten Personalratsmit- glieds tritt nach Zustimmung des Integrationsamts an die Stelle der Obliegenheit zum unverzüglichen Ausspruch der Kündigung die Obliegenheit zur unverzüglichen Einleitung des personalvertretungsrechtlichen Zustimmungsverfahrens und zur unverzüglichen Einleitung des verwaltungsgerichtli- chen Zustimmungsersetzungsverfahrens. VGH München, Beschluss vom 03.12.2018 – 17 P 18.111 Sachverhalt und Entscheidungsgründe Streitgegenstand ist die Ersetzung der vomPersonalrat verweigerten Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen fristlosen Kündigung eines schwerbehinderten Personalratsmitglieds. Dieses sollte vom Arbeitgeber wegen unberechtigten Zugriffs auf vertrau- liche Unterlagen gekündigt werden. Der nach Anhörung der Schwerbehindertenvertretung beantragten Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung stimmte das Integrationsamt zu. Der Personalrat stimmte den Maßnahmen des Arbeitge- bers dagegen nicht zu. Auf Antrag des Arbeitgebers ersetzte das Verwaltungsgericht mit seinem Beschluss die Zustim- mung des Personalrats. In seiner Begründung führte der Bayerische Verwaltungsge- richtshof (VGH) aus, die Ersetzung der Zustimmung sei nicht wegen Verstreichens der Frist nach § 626Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) abzulehnen. § 174Absatz 2 Sozialgesetzbuch (SGB) IX, nach demder Antrag beim Integrationsamt innerhalb einer Zwei-Wochen-Frist gestellt werden müsse, lagere für außerordentliche Kündigungen die Frist nach § 626 Absatz 2 BGB, nach der die außerordentliche Kündigung innerhalb einer Zwei-Wochen-Frist ausgesprochen werden muss, auf den Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Zustimmung zur Kün- digung vor. Das in § 174 Absatz 2 SGB IX normierte Gebot des unverzüglichen Handelns sei eingehalten. An die Stelle des unverzüglichen Ausspruchs der Kündigung trete bei verweigerter Zustimmung des Personalrats die unverzügliche Einleitung des Zustimmungsersetzungsverfah- rens. DemArbeitgeber stehe es frei, so das Gericht, den Antrag auf Zustimmung zur Kündigung beim Integrationsamt vor, während oder erst nach Beteiligung des Personalrats zu stel- len. Beteilige der Arbeitgeber den Personalrat erst nach Ertei- lung der Zustimmung zur Kündigung, bedeute der Begriff der Unverzüglichkeit nicht, dass das Beteiligungsverfahren am ersten Tag nach der Bekanntgabe der Entscheidung des Inte- grationsamtes erfolgen müsse. ■ Merkzeichen Begleitperson Leitsatz Die Zuerkennung des Merkzeichens B erfolgt nur, wenn gleichzeitig auch die Merkzeichen G, H oder Bl anerkannt sind. Zudem ist es von erheblicher Bedeutung, ob die behin- derte Person bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel regelmäßig auf fremde Hilfe beim Ein- und Aussteigen oder während der Fahrt angewiesen ist oder ob Hilfen zum Aus- gleich von Orientierungsstörungen (zum Beispiel bei Sehbe- hinderung oder geistiger Behinderung) erforderlich sind. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.11.2018 – L 8 SB 324/18 Sachverhalt und Entscheidungsgründe Die Parteien streiten über die Feststellung des Merkzeichens B (Begleitperson). Der Feststellungsbescheid der gehörlosen Klägerin (GdB 100) enthält außerdemdieMerkzeichen Gl (gehörlos), G (erheblich beeinträchtigt in der Bewegungsfähigkeit) und RF (Rundfunk/ Fernsehen). Mit der Begründung, wegen ihrer Taubheit sei sie bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel auf Hilfe ange- wiesen, da sie zum Beispiel Durchsagen nicht höre und sich bei Fahrplanänderungen nicht zurechtfinde, stellte die Kläge- rin einen Antrag auf Zuerkennung des Merkzeichens B. Diesen Antrag lehnte die Beklagte jedoch ab. In seinem Berufungsurteil, das diesem Begehren im Ergebnis aus anderen Gründen stattgab, führte das Landessozialgericht (LSG) aus, Voraussetzung für die Anerkennung sei zum einen, dass bestimmte Merkzeichen wie G, Gl oder H (hilflos) vorlä- gen. Bei blinden und sehbehinderten, hörbehinderten sowie geistig behinderten und anfallskrankenMenschen könne eine Berechtigung für eine ständige Begleitung aber nur bejaht werden, wenn zugleich die Annahme einer erheblichen Beein- trächtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr gerechtfertigt sei. Die betroffene Person müsse bei der Benutzung von öffentli- chen Verkehrsmitteln infolge der Behinderung auf fremde Hilfe beim Ein- und Aussteigen oder während der Fahrt zum Ausgleich von Orientierungsstörungen angewiesen sein. Dies sei hier nicht der Fall. ■

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