ZB Behinderung & Beruf 3/2019

RECHT 8 ZB 3 I 2019 Kündigung Teilnahme am BEM Leitsatz Führt der Arbeitgeber vor Ausspruch einer krankheitsbeding- ten Kündigung ein betriebliches Eingliederungsmanagement (§ 167 Absatz 2 Sozialgesetzbuch [SGB] IX) nicht durch, geht dies bei der Interessenvertretung nicht zu seinen Lasten, wenn der Arbeitnehmer sich an dem Betrieblichen Eingliederungs- management ohnehin nicht beteiligt hätte. LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.02.2019 – 17 Sa 1605/18 Sachverhalt und Entscheidungsgründe Die Parteien streiten um eine ordentliche, krankheitsbedingte Kündigung, die der Arbeitgeber wegen einer seit Juni 2014 andauernden Erkran- kung des Klägers ausgesprochen hatte. Ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) hat er nicht durchgeführt, da er davon ausging, der Kläger werde einer Einladung ohne- hin nicht folgen. Die erstinstanzlich abgewiesene Klage hatte auch in der Berufungsinstanz keinen Erfolg. Das Berufungs- gericht führte aus, die Kündigung sei sozial gerechtfertigt. Zum Zeitpunkt der Kündigung sei ein Ende der lang andau- ernden Arbeitsunfähigkeit nicht absehbar gewesen. Im Rah- men der Interessenabwägung könne dem Beklagten hier die fehlende Durchführung eines BEM nicht zum Nachteil gerei- chen. Er sei zu Recht davon ausgegangen, der Kläger hätte einer Einladung zum BEM nicht Folge geleistet. Dieser hatte sich schon zuvor nicht inhaltlich zu seinem Gesundheitszu- stand geäußert und es abgelehnt, im Betrieb zu erscheinen. Auch der Einladung des Integrationsamtes imZusammenhang mit der geplanten Kündigung, zu einemGespräch zu erschei- nen, war er mit der Begründung, das Betriebsgelände nicht betreten zu können, nicht gefolgt. Ein milderes Mittel als die Kündigung stehe daher nicht zur Verfügung. ■ Förderung Arbeitsplatzsicherung Leitsatz Es ist nicht zu beanstanden, wenn das Integrationsamt die Bewilligung von Leistungen an den Arbeitgeber nach § 27 Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung (SchwbAV) zum Ausgleich besonderer Belastungen von der dauerhaften Sicherung des Arbeitsplatzes abhängig macht. Entstehende Urlaubsabgeltungsansprüche sind keine spezifischen behin- derungsbedingten Belastungen. VG Gera, Urteil vom 24.07.2018 – 6 K 365/18 Ge Sachverhalt und Entscheidungsgründe Die Klägerin erhielt seit 2015 vom Integrationsamt einen monatlichen Betrag in Höhe von 738 Euro zum Ausgleich der besonderen Belastun- gen, die ihr durch die Beschäftigung des schwerbehinderten Arbeitnehmers entstanden. Mit Zustimmung des Integrati- onsamtes kündigte sie dem Arbeitnehmer im August 2016 zum31.10.2016. Es entstanden Urlaubsabgeltungsansprüche in Höhe von 1.972 Euro. Gegen denWiderruf des Bewilligungs- bescheides legte die Klägerin Widerspruch ein. Dieser wurde vom Widerspruchsausschuss zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte Klage beimVerwaltungsgericht (VG) war ebenfalls nicht erfolgreich. Der Zweck der Bewilligung, die bei der Beschäftigung des schwerbehinderten Arbeitnehmers eintre- tende behinderungsbedingte Minderleistung abzumildern beziehungsweise ihm personelle Unterstützung bei der Ver- richtung der Arbeit zukommen zu lassen, könne nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr erreicht werden. Dieser Zweck sei bereits mit der Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung entfallen. Der entstandene Urlaubsabgeltungsanspruch werde vom Zweck des § 27 SchwbAV nicht umfasst. Er erfolge für die Zeit nach der Beschäftigung und begründe keine behinderungsbedingte Belastung des Arbeitgebers. ■ Beamte Gleichstellung Leitsatz Die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Beamten setzt eine besonders begründete Gefährdung des Arbeitsplat- zes voraus. Eine Gleichstellung imHinblick auf Beförderungs- wünsche kann nicht verlangt werden. LSG Saarland, Urteil vom 22.02.2019 – L 6 AL 4/17 Sachverhalt und Entscheidungsgründe Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger, ein verbeamteter Polizistmit einemGrad der Behinderung (GdB) von 30, einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden kann. Mit der Begründung, es könne durch Erkrankungen zum Verlust der gegenwärtigen Funktionsstelle (A 12), einer Führungsstelle, kommen und eine Beförderung–wie schon indenVorjahren– verschobenwerden, beantragte er bei der Agentur für Arbeit die Gleichstellungmit einem schwerbehinderten Menschen. Die Berufung gegen die ablehnende Entscheidung wies das Berufungsgericht zurück. Eine Gleichstellung nach § 2 Absatz 3 Sozialgesetzbuch (SGB) IX scheide zwar grundsätzlich für den Personenkreis der Beamten nicht aus.Erforderlich sei aber eine besonders zu begründende Arbeitsplatzgefährdung. Die Gleichstellung diene nicht dazu, eine andere, höherwertige Beförderungsstelle zu erlangen. Der innegehabte Arbeitsplatz sei für den Kläger geeignet und nicht gefährdet. Gelegentliche Arbeitsunfähigkeitszeiten begründeten insbesondere bei Beamten keine Gefährdung des Arbeitsplatzes. ■

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