ZB Behinderung & Beruf 2/2020

ZB 2 I 2020 11 Beginn einer jedenMaßnahme. Sie leitet die Weiterbildung für Jobcoaches des LWL und ist selbst als Jobcoach aktiv. Ihr Auftrag in den Betrieben ist klar: Es geht darum, den Arbeitsplatz der schwerbe- hinderten Person dauerhaft zu sichern. Das Wie unterscheidet sich aber jedes Mal: „Dafür gibt es keine 08/15-Lösung. Die Maßnahmen sind immer individuell auf den Einzelfall zugeschnitten“, sagt Dörte Pulla. Wie das aussehen kann, zeigen die Praxisbeispiele auf den beiden folgenden Seiten: Zum einen macht ein Jobcoach eine Reinigungskraft nach einem Arbeitsunfall mit einem techni- schen Hilfsmittel und neuen Abläufen vertraut. Zum anderen wird ein Arbeits- platz auf die Bedarfe eines Mitarbeiters zugeschnitten, damit der langjährige Werkstattleiter nach schwerer Krankheit in neuer Rolle weiter in der Fensterbau- firma beschäftigt bleiben kann. KOLLEGEN AUF ZEIT So unterschiedlich die Methoden auch seinmögen, eine Gemeinsamkeit verbin- det alle Jobcoaches: Sie arbeiten sich fachlich in die Betriebe ein und werden für den schwerbehinderten Arbeitneh- mer zu „Kollegen auf Zeit“, wie es LWL- Direktor Matthias Löb ausdrückt. „Zum Jobcoaching gehören eine gute Qualifi- kation, Berufserfahrung und eine zusätz- liche Weiterbildung, um das Therapeuti- sche mit dem Fachlichen verbinden zu können“, erläutert Professor Ulrike Marotzki. DieTrainer begleiten ihre Klien- ten an zwei bis drei Tagen in der Woche für einige StundenamArbeitsplatz,meist für etwa ein halbes Jahr. Einfühlungsver- mögen ist dabei gefragt, dennMenschen mit psychischenBeeinträchtigungen sind mit mehr als einem Drittel die größte Gruppe, für die Jobcoaching in Anspruch genommen wird. Danach folgen Men- schen mit Lernbehinderungen und Beschäftigte mit Hirnschäden oder neu- rologischen Beeinträchtigungen. Jobcoacheswerden eingesetzt, umÜber- gänge von der Förderschule oder von Werkstätten für behinderteMenschen in Beschäftigungsverhältnisse zu gestalten. Sie können bei der Qualifizierung am Arbeitsplatz helfen, umneue Tätigkeiten zu erlernen und einzuüben. Meist wer- den sie aber erst dann hinzugezogen, wenn sich nach langjähriger Beschäfti- gung oder bei der Wiedereingliederung die Situation zuspitzt, die Krise schon da ist. Dann sind die Jobcoaches als „Brü- ckenbauer“ gefordert, umalle Beteiligten zusammenzubringen. Dabei kann die Perspektive von außen hilfreich sein, um UnsicherheitenundVorurteileimUmgang mit demschwerbehinderten Beschäftig- ten abzubauen. SBV ALS „SEISMOGRAF“ Helfen können dabei die Schwerbehin- dertenvertretungen (SBV) in den Unter- nehmen. „Sie sind Seismografen, haben häufig einen sehr guten Draht zu den Personen, um die es geht“, erklärt JADE- Forscherin Ulrike Marotzki. Allerdings: Schwerbehindertenvertretungen kennen Jobcoaching nur selten. Gleiches gilt für Arbeitgeber, die auf das Angebot immer noch zu wenig zurückgreifen. Die Initia- tive für Jobcoaching geht häufig von den Integrationsfachdiensten (IFD) aus. Dann wird die Dauer einer Jobcoachingmaß- nahme abgeschätzt und die Rahmenbe- dingungen vom Integrationsamt festge- legt. Der Jobcoach selbst hat innerhalb dieses Rahmens großenGestaltungsspiel- raum. Ziele, die er mit dem Betrieb fest- gelegt hat, können sich im Laufe des Jobcoachings ändern. „Teilhabe ist nicht statisch, sondern ein Prozess – und der bedeutet jedenTagharteArbeit“, verdeut- licht ProfessorUlrikeMarotzki. Im Idealfall sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Zusammenspiel mit den Kollegen nach dem Jobcoaching selbst in der Lage, Lösungen zu entwickeln. BEKANNTHEIT STEIGERN Matthias Löb war auf dem Jobcoaching- Kongress des LWL in Münster von der Resonanz beeindruckt. „Das zeigt das Bewusstsein, dass Jobcoaching flächen- deckend relevant ist“, freute sich der Gastgeber. Nun müsse es darum gehen, den Bekanntheitsgrad des Instruments zu steigern, das bislang überwiegend von Integrationsämtern im Rahmen der BegleitendenHilfe imArbeitsleben finan- ziert wird. Eine stärkere Nutzung auch von anderen Leistungsträgern wie der Bundesagentur für Arbeit oder der gesetzlichen Rentenversicherung wäre wünschenswert. Zudemwäre es hilfreich, wenn die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen konkretisiert würden. ■ SCHWERPUNKT Foto:Timo Bühring Jobcoaching Qualitätsnetzwerk Jobcoaching: Um Qualitätsstandards festzulegen und stetig weiterzuentwickeln, hat sich das Netzwerk unter dem Dach der Bundesarbeitsgemeinschaft für Unterstützte Beschäftigung (BAG UB) gegründet. Mehr unter: www.bag-ub.de > Qualitätsnetzwerk Forschungsprojekt JADE: Den Forschungsbericht und weitere Informationen zum Projekt gibt es im Internet. Mehr unter: http://blogs.hawk- hhg.de/jade/

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