ZB Behinderung & Beruf 2/2020

SCHWERPUNKT 12 ZB 2 I 2020 Foto: Andreas Georgi/Ihre Perle Foto: Rolf K.Wegst Ein Teleskop-Fensterputzgerät erspart Norbert Harnack das Arbeiten in luftiger Höhe Jobcoach André Sorge (u. li.) erklärt den Umgang mit den verschiedenen Hilfsmitteln N orbert Harnack kannwieder Fenster putzen. Was auch unerlässlich ist, denner arbeitet für eine Reinigungsfirma. Vor drei Jahren war er beim Putzen eines Treppenhauses gestürzt und hatte sich dieHand kompliziert gebrochen. Auf eine Leiter traut er sich nach achtmonatiger Reha nicht mehr, denn voll belastbar ist das Handgelenk der Reinigungskraft mit einer Lernbehinderung bis heute nicht. Atis Jünemann, Geschäftsführerin der acht Mitarbeiter großen Gebäudereini- gungsfirma „Ihre Perle“ inMarburg, sorg- te sich darum, ob Norbert Harnack über- hauptwieder würde arbeiten können. Sie schalteteden Integrationsfachdienst (IFD) von Arbeit und Bildung e. V. in Marburg ein. „Wir haben zusammenmit demLWV Hessen Integrationsamt in Kassel über- legt:Wie könnenwir dieArbeitsbelastung für HerrnHarnack reduzieren?“, sagt IFD- Berater Uwe Zacharias, bei demdie Fäden zusammenliefen. Jobcoach geht auf „Putztour“ Ergebnis: Man vereinbarte ein Jobcoaching. Trainer André Sorge sollte direkt imBetrieb ermit- teln, wie die Unterstützung aussehen könnte. Der Ergotherapeut ging mit Nor- bert Harnack auf „Putztour“, nahm die Fähigkeiten des 61-Jährigen und die Anforderungen der verschiedenen Tätig- keiten unter die Lupe. Norbert Harnack reinigt nicht nur Fenster, er putzt auch Fußböden oder schneidet Hecken. Nach der Analyse machte der Jobcoach Vorschläge, umeineWeiterbeschäftigung Norbert Harnacks zu sichern. „Hier wur- denArbeitsabläufe optimiert, Betriebund Mitarbeitende beraten und aufgeklärt“, sagt André Sorge. Ein anschauliches Ergebnis des Jobcoa- chings hält Norbert Harnack in der Hand: ein sehr leichtes Teleskop-Fensterputzge- rät aus Carbon. Damit kann er auf dem Bodenbleibenundkommt trotzdemoben an.Will er ein Fenster inder zweitenEtage erreichen, zieht er das Putzgerät einfach aus – auf bis zu sechs Meter Länge. Ein weiterer Vorteil: Das Abledern der Fens- terscheiben entfällt. Denn ein Filter ent- fernt alle Mineralien aus dem Wasser, sodass nach dem Trocknen keine Ränder entstehen. André Sorge zeigte Norbert Harnack den richtigen Umgang mit dem Werkzeug. Außerdem half er der Firma, ihren Mitarbeiter gezielter einzusetzen. „WasNorbert gut kann,macht er jetztmit denHilfsmitteln“, sagt Betriebsleiter And- reas Georgi. Integrationsamt unterstützt finanziell Das LWV Hessen Integrationsamt über- nahm die IFD-Beratung, das Jobcoaching und 75 Prozent der Anschaffungskosten für das Fensterputzgerät. Der Betrieb ist imGegenzugverpflichtet, denMitarbeiter weiter zu beschäftigen und nach zwei Jahren seine Arbeitssituation zuüberprü- fen. Auch eine personelle Unterstützung Norbert Harnacks wird finanziell geför- dert, um den behinderungsbedingten zeitlichenMehraufwand für Kollegenoder denAnleitendenauszugleichen. Betriebs- leiter Andreas Georgi ist dankbar für die Unterstützung und dafür, dass Norbert Harnack weiter für „Ihre Perle“ arbeiten kann. Denn: „Für uns ist es gut, wenn Mitarbeiter lange da sind. Das ist für alle besser,mankennt die StärkenundSchwä- chen jedes Einzelnen und baut eine per- sönliche Bindung auf.“ ■ Nach einem Arbeitsunfall war die berufliche Zukunft von Norbert Harnack in einer Gebäudereinigungsfirma unge- wiss. Ein Jobcoach half bei der Wiedereingliederung und bei der Suche nach einem neuen, entlastenden Arbeitsgerät. Keine Angst mehr vor der Fallhöhe Praxisbeispiel Jobcoaching

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