ZB Behinderung & Beruf 3/2019

ZB 3 I 2019 Foto: Helmut Fricke Unterricht bei Artur Deja: „Ich visualisiere das, was ich höre, vor meinem inneren Auge.“ Foto: Helmut Fricke Eine große Hilfe für sehbehinderte Menschen: Smartphones mit vorinstallierter Sprach­ erkennungssoftware und Voiceover-Funktion SCHWERPUNKT 13 Praxisbeispiel „Ich wollte immer Musiker werden“ Artur Deja übt mit Leidenschaft seinen Beruf als Jazz- gitarrist aus. Er gibt Unterricht, spielt in verschiedenen Jazzbands und Formationen, nimmt mit hochkarätigen Musikern – darunter Grammy-Award-Gewinner – Alben auf und muss dafür regelmäßig in die USA reisen. Und das funktioniert, obwohl er hochgradig sehbehindert ist. O hne meine beiden Arbeitsassisten- ten könnte ichmeinenArbeitsalltag nichtmehr bewältigen“, erklärtArturDeja. Und dieser Arbeitsalltag ist alles andere als gewöhnlich. Der 45-jährige Mann ist Absolvent der LosAngelesMusicAcademy und Berufsgitarrist. Die Unterstützung des LWVHessen Integrationsamtes bean- sprucht er erst seit einem Jahr. In den Jahren vorher konnte er noch mithilfe eines Bildschirmlesegeräts seine Noten, Bücher und Briefe zwar mit Mühe, aber alleine lesen. Das geht nun nicht mehr. Artur Deja leidet unter der erblichbeding- ten unheilbaren Augenerkrankung Reti- nitis pigmentosa, die über Jahrzehnte hinweg seine Netzhaut, das sehfähige Gewebe am Augenhintergrund, zerstört. Sehfähigkeit wird immer schlechter Mit zehn Jahren erhielt er diese Diagnose und seitdem verschlechtert sich seine Sehfähigkeit schubweise. „Mittlerweile brauche ich bei bestimmten Tätigkeiten Hilfe. Als selbstständiger Berufsmusiker gehen einem viele Jobs verloren, wenn manNoten nicht einfach vomBlatt lesen und sich nicht schnell in unbekannte Stücke und Setlisten einarbeiten kann. Ich brauche dafür Vorbereitungszeit und die Hilfemeiner Assistenten.“ Die beiden Männer studieren bei ihm und spielen selbstGitarreauf professionellemNiveau. „Ansonsten könnten sie die Assistenz nichtwahrnehmen. Sie sind ja sozusagen meine Augen, lesen mir Noten vor und schreiben Melodien und Stücke auf, die ich komponiere. Dafür müssen sie fach- lich mit mir auf einem ähnlichen Stand sein“, so Deja. Ansonsten unterstützen sie ihn bei alltäglichen Dingen, beant- worten zum Beispiel E-Mails und setzen längere Schreiben auf. Die Kosten für die beiden Assistenten, die insgesamt 12 Stunden pro Woche für ihn arbeiten, bekommt er vom Integrationsamt erstat- tet. Darüber hinaus hat sich das Amt an den Anschaffungskosten für einen Ver- stärker, ein tragbares Aufnahmegerät und ein Smartphone beteiligt. „Apple- Geräte wie das iPhone haben eine vorin- stallierte Spracherkennungssoftware mit Voiceover-Funktion. Das hilft mir persönlich natürlich immens“, erklärt der Musiker. Beruf ist Herzenssache Und wie muss man sich den Gitarrenunterricht bei ihm vorstellen? „Eigentlich ganz normal“, lächelt er. „Ich höre natürlich sehr kon- zentriert zu – dabei kann ich alles, was ich höre, vor meinem inneren Auge visu- alisieren. Dann gebe ich genaues Feed- back, spiele selbst vor und korrigiere, wenn nötig, über Nachtasten. Das funk- tioniert sehr gut.“ Muss der Gitarrist beruflich in die USA reisen, begleitet ihn ein anderer, nicht fest als Assistent ange- stellter Student. „Er war schon öfter mit mir unterwegs, kennt sich vor Ort aus und ich kannmich hundertprozentig auf seine Hilfe verlassen“, erklärt Artur Deja, der jetzt schon weiß, dass er in einigen Jahren völlig erblinden wird. „Ja, mein Beruf als selbstständiger Musiker kostet mich wegen meiner Krankheit viel Kraft und Mühe, ist aber trotzdem genau das, was ich immer tun wollte. Eine Herzens- sache.“ ■

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