ZB Behinderung & Beruf 3/2019

ZB 3 I 2019 INTERVIEW für behinderte Menschen auf den allge- meinen Arbeitsmarkt. Was glauben Sie, wie wird hier die Entwicklung aussehen? Was ist notwendig, um Fortschritte zu erzielen? Dr.Waldenburger Inklusion bedeutet vor allemWahlfreiheit. ZumBeispiel die Frei- heit, dort zu arbeiten, wo man möchte. Sei es in einer Werkstatt für behinderte Menschen oder in einemBetrieb auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Wahlfreiheit setzt aber voraus, dass es gleichwertige Alternativen gibt. Inmeiner Dissertation habe ichmichmit der Frage beschäftigt, welchenBeitragdie UnterstützteBeschäftigung zurVerbesse- rung der Teilhabesituation leisten kann. Meines Erachtens ist die Unterstützte Beschäftigung aufgrund ihrer betriebs- und personenorientiertenAusrichtung in besonderemMaße geeignet, eine gleich- berechtigte Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen. Allerdings bestehen bei der rechtlichen Ausgestaltung und der Ein- bettung in das existierendeTeilhaberecht Regelungslücken. Zum Beispiel werden Teilnehmer der Unterstützten Beschäf- tigung nicht auf die Ausgleichsabgabe angerechnet. Sie sind auch nicht in die Arbeitslosenversicherung einbezogen. Ähnlich sieht es bei anderen Beschäfti- gungsformen aus. Hier muss es zu einer stärkeren Angleichung in arbeits- und sozialrechtlicher Hinsicht kommen. Wenn wir den Übergang fördern möchten, müs- sen wir auch dafür sorgen, dass alle Beteiligten davon profitieren. Zudembrauchenwirmehr Durch- lässigkeit zwischen verschiedenen Beschäftigungsformen – also zwi- schen Werkstatt für behinderte Menschen, Inklusionsbetrieb, Unterstützter Beschäftigung, Aus- bildungs- oder Arbeitsplatz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt –, und zwar in beide Richtungen. Deshalb sollte regelmäßig über- prüft werden, ob ein Übergang in eine andere Beschäftigungsform in Betracht kommt. Wichtig sind auch der rechtliche und tatsächliche Ausbau von Beschäftigungsalternativen, die sich am persönlichen Unterstützungsbedarf ori- entieren. Mit dem nunmehr gesetzlich verankerten Budget für Arbeit und den anderen Leistungsanbietern sind wichti- ge Beschäftigungsalternativen imSGB IX verankert worden. INNOVATIONEN NUTZEN ZB Frau Dr. Bartel, Ihr derzeitiges For- schungsprojekt heißt KI.ASSIST. Was ver- birgt sich dahinter? Undwas erhoffen Sie sich davon für die Zukunft? Dr. Bartel Mit dem Projekt KI.ASSIST erproben wir in unterschiedlichen Lern- und Experimentierszenarien, wie künst- liche Intelligenz (KI) undAssistenzdienste die Teilhabechancen von Menschen mit Behinderungen auf dem Arbeitsmarkt verbessern können. Das dreijährige Pro- jekt ist im April 2019 gestartet und wird vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales ausMitteln des Ausgleichsfonds gefördert. Besonders achten wir auf die Akzeptanz technologischer Innovationen und dar- auf, alle Akteure, das heißt Menschen mit Behinderung, Reha-Experten, poli- tische Akteure und Unternehmen, in unterschiedlichen Phasen des Projektes einzubeziehen. Hierfür entwickeln wir aktuell geeignete Dialogformate, zum Beispiel eine barrierefreieWebplattform, und organisieren Arbeitsgruppen sowie Fachtagungen. Nur so kann die Techno- logieentwicklung an den Schnittstellen Ethik, Selbstbestimmung und Inklusion funktionieren. Wir sehen uns der Nachhaltigkeit ver- pflichtet. Unsere Vision ist es, wegwei- sendeGrundlagenund Strukturen für die praktische Überführung von KI-Techno- logien in die Praxis bereitzustellen und auch nach Projektabschluss ein Forum für die Thematik KI und die Teilhabe von Menschen mit Behinderung zu sein. ■ Dr. Susanne Bartel Dr. Susanne Bartel (40) ist Rehabilita- tionspädagogin. Seit 2014 leitet sie die Abteilung Forschung & Entwick- lung beim Bundesverband Deutscher Berufsförderungswerke in Berlin. Dr. Susanne Bartel: „Wir erproben, wie künstliche Intelligenz und Assistenzdienste die Teilhabe­ chancen von Menschen mit Behinderungen auf dem Arbeitsmarkt verbessern können.“ Foto: Claudius Pflug 7

RkJQdWJsaXNoZXIy NzQxMzc4