ZB Behinderung & Beruf 2/2019

ZB 2 I 2019 Foto: Christian Gossmann Foto: Christian Gossmann Klientenbesuch: Wenn Treppenstufen zu überwinden sind, nimmt Elke Knorr ihren Arbeitsassistenten mit Praxisbeispiel Das entscheidende Argument Elke Knorr hat sich als Berufsbetreuerin selbstständig gemacht. Dank Arbeitsassistenz ist es ihr gelungen, alle Skeptiker zu überzeugen. S o normal wie möglich. Nach dieser Devise lebt und arbeitet Elke Knorr. Nach ihrem Reitunfall im Jahr 2003 war dagegen nichts mehr normal. Plötzlich war sie auf einen Rollstuhl angewiesen. Wie sollte es nunweitergehen– vor allem beruflich? „Ich habe nach einer Arbeit gesucht, die ich zeitlich flexibel gestalten und an meine Behinderung anpassen kann.“ Ihre Entscheidunghat sie bis heute nicht bereut: Die studierte Juristinaus der Nähe von Goslar machte sich 2006 als Berufsbetreuerin selbstständig. Klientenbesuche mit Hindernissen In ihremzweigeschossigenWohnhaus war Platz für ein Büro. Damit sie es problem- los erreichen kann, bezuschusste das Integrationsamt beimNiedersächsischen Landesamt für Soziales, Jugend und Familie den Einbau eines Fahrstuhls. Als Berufsbetreuerin ist Elke Knorr aber auch häufig unterwegs. Ihre Aufgabe ist die rechtlicheVertretung vonMenschen, die ihre Angelegenheiten nicht selbst wahr- nehmen können, zum Beispiel weil sie psychisch oder demenzerkrankt sind. Regelmäßige Besuche bei Klienten gehö- ren genauso zu ihrem Job wie Termine beim Amtsgericht. Für die Fahrt dorthin braucht sie keine Hilfe. Sie steuert ihr behinderungsgerecht umgebautes Auto selbst. Schwierig wird es jedoch vor Ort. Die wenigsten Privathäuser und öffent- lichen Gebäude sind für Rollstuhlfahrer barrierefrei zugänglich. Der „Treppenüberwinder“ Hier kommt Henning Dewitz zum Einsatz. Seit vier Jahren ist er Arbeitsassistent bei Elke Knorr. Sachte hievt er die behinderte Frau samt Rollstuhl über die Treppenstufen nach oben und bringt sie nach einem Termin wieder nach unten. „Ich bin sehr froh, dass das Integrationsamt die Arbeitsassistenz fördert“, sagt die 58-Jäh- rige. Zehn Stunden pro Woche wurden ihr bewilligt. Im Lauf der Jahre hat Elke Knorr schon mehrere Assistenzkräfte gehabt. HenningDewitz hat sie über eine Stellenausschreibung beim Jobcenter gefunden und auf 450-Euro-Basis ange- stellt. Als Frührentner ist er zeitlich sehr flexibel. Wöchentlich stimmt Elke Knorr die Einsätze mit ihm ab, wann immer es geht, versucht sie Termine zu bündeln. Erfolgreich selbstständig Dank der Arbeitsassistenz kann Elke Knorr mit der Betreuung ihren Lebensunterhalt bestrei- ten. Derzeit kümmert sie sichum30 Fälle. Keiner gleicht demanderen, aber immer geht es um ein menschliches Schicksal. Eine anspruchsvolle Aufgabe. „Arbeitsas- sistenz ist für mich das entscheidende Argument“, so Elke Knorr. Allen Zweiflern, die ihr diese Tätigkeit anfangs nicht zutrauten, weil sie im Rollstuhl sitzt, konnte sie entgegenhalten: „Kein Prob- lem, ich habe jemanden, dermich beglei- tet und unterstützt.“ Undweil das so ist, erwähnt sie ihre Behinderung meist gar nicht mehr. Alles ganz normal. ■ SCHWERPUNKT 13

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